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Gedanken zur Gegenwart

Das mittelalterliche Gedicht „Ich saz ûf eime steine“ von Walther von der Vogelweide war Gegenstand einer Deutschstunde in den vergangenen Wochen des 2. Lockdowns. Der um 1200 entstandene Text befasst sich sowohl mit politischen als auch gesellschaftlichen Aspekten zur Zeit Walthers von der Vogelweide. Angelehnt an diese Verse als Momentaufnahme seiner Zeit sollten die Schülerinnen und Schüler der 6c sich ebenfalls in die berühmte Pose des Denkers begeben und in eigenen Zeilen einen Einblick in ihren Alltag, also wie sie die Welt momentan sehen, geben. Einige ehrliche, beeindruckende als auch berührende Kostproben dürfen wir hier präsentieren!

Mag. Sabine Böhm


Stand By

Jetzt Licht abdrehen, hinlegen und schlafen gehen. Entfliehen, all dem, was da noch kommt. Was da vor meiner Zimmertür wartet, wartet sich in meinem Raum, meinem Reich Platz zu machen. Nicht sehen und schon gar nicht hören will ich. Liebend gern wäre ich nun der Affenemojy aus Whatsapp. Denn wer nicht hört, nichts weiß, der sieht die Welt, die Gegenwart, ja wohl ganz anders. Wer nicht verfügt dieses Wissen, der lebt in seiner eigenen Welt, der sieht noch nicht, welche Einschränkungen die Zukunft für uns bereithält. Zu schade nur, dass diese Theorie nur eine Überlegung meiner reinen Imagination ist und auch bleiben wird. Schmerzhaft melden sich nun meine Sehorgane wieder bei mir, denn die vielen Stunden der Belastung, welche nun auf Ihnen lastet macht sich allmählich bemerkbar. Meine Augen sie schmerzen, sie zucken, sie ermüden von der stechend, kalten und blauen Welt. Die Welt, in die ich mich oft zu flüchten versuche. Eine ungreifbare, ferne, nach Aufmerksamkeit heischende Realität, welche mich ausschaltet. Kurz auf „stand by“ stellt. So dass ich die klopfenden Geräusche der sich nähernden Zukunft an meiner Zimmertüre einen Moment überhören kann. Dieser Ort löst fast einen Halbschlaf, einen Tagtraum in mir aus, ganz ähnlich als würde ich meinem Verlangen nachgeben und schlafen gehen. Er würde dafür sorgen, nicht daran zu denken, bis an den nächsten Morgen. Doch natürlich weiß ich, die virtuelle Welt mit Vorsicht zu durchfließen. Sie sollte nie zu viel von meiner Aufmerksamkeit genießen. Mir nicht die Augen verschließen, meine Zeit vergießen. Vielleicht sollte ich mein Handy sofort im Schrank einschließen! Und die Realität genießen. Aber wie soll ich mich in Zukunft davor hüten? Wenn doch sogar die Schule mit uns darüber kommuniziert. Die Welt da draußen pandemiert. Und mein Zimmer, mein Heim, jetzt viel mehr als nur ein Ort für Familie, Schlaf und Freizeit, soll sein?

Schülerin, 6c


Walther von der Vogelweide Gedicht

So sitz ich da, und warte. Warte auf den nächsten Gedankensprung, auf Übereinstimmung. Warten tun wir nun schon lange, Raten ist unser tägliches Unterfangen. Weil niemand weiß, und jeder hofft, weil man sich mehr als Ungewissheit erhofft. In Stille üben. Unsere Gedanken, sie vertrüben. Sie kommen und gehen, doch bleiben nie stehen. So schön, so voller Hoffnung sie auch seien, sie lassen sich nur auf Fantasien reimen. Wie sollen wir je wissen, wann tägliches Leben von mehr als einschränkenden Befängnissen durchzogen ist. Langsam aber sicher gewöhnen wir uns an die jetzige Realität. Doch ist sie nicht für uns geschaffen, darum sollten wir auch die Finger von ihr lassen. Irgendwann, das ist gewiss, sind wir und unsere Geduld siegesgewiss. Bis dahin heißt es: Warten.

Schülerin, 6c


Gedankentext Distancelearning

Stress, Kummer und Angst. Täglich das gleiche Gefühl, nicht gut genug zu sein. Distance-Learning. Eines der schlimmsten Wörter für mich dieses Jahr. Das reinste Chaos. Aufstehen um 7 Uhr und bis spät abends beim Schreibtisch sitzen. Ich kann nicht mehr. Jeden Tag bis zu acht Unterrichtsstunden via Teams vor dem Laptop verbringen. Die Augen schmerzen, das Genick ist verspannt. Freizeit danach? Ganz im Gegenteil. Hausübungen, Arbeitsaufträge, die fertigzumachen sind, Vorbereitungen für die nächsten Stunden und lernen für Mitarbeitsüberprüfungen. Arbeitende Eltern. Bedeutet oftmals – Kochen und Hausarbeiten sind mir überlassen. Zusätzliche Belastungen. Wann kann ich meine Klassenkollegen endlich wieder nicht nur virtuell sehen? Wann habe ich wieder Zeit für mich?
Wann kann ich wortwörtlich mal abschalten und zu einem Alltag wie vor der Pandemie zurückkehren?

Schülerin, 6c


Gedanken

Do bin i gsessn auf mein Schreibtisch, i hob ba mein Fenster ausigschaud, mi gaunz kla gmocht und auf amoi wori wütend und traurig zugleich. Wos is des fia a Wöt, in der wia leben, wiads jemeois wieder wos Normales gebn? Ois wosi wü, is fuatgeh, sogoa int Schui geh, stöhts eich des moi vor. I wü meine Freind seng, i wü meine Großeltern und olle Leid umarmen, de mi meng. Nur leider spüts des dieses Joah ned, 2020 is scho ziemlich bled. Eingsperrt in unsere Zimmer soima sei, des geht sicha ned spurlos an uns vorbei. Ma soi positiv denken in so ana negativen Zeit, trotzdem woima kan positiven Bescheid. Owa wos soi ma mochn, ma kau eh nur hoffn auf bessare Zeiten, wo ma a wieder lochn. Bis dahi bleibt des ois so kompliziert, i glaub, do bin ned nur i verwirrt.

Schülerin, 6c